Freie WLAN-Funknetze erobern Europa
Mesh-Routing sorgt für autonome Breitbandversorgung
Beim Zugang zu Breitband-Infrastruktur sind User im Normalfall auf das Angebot von ISPs, Telcos oder Mobilfunkanbieter angewiesen. Einen alternativen wie autonomen Weg weisen seit einigen Jahren Funknetz-Communitys, die über zusammengeschlossene WLAN-Router eine frei zugängliche Breitbandversorgung bereitstellen. Entstanden derartige Projekte zunächst vor allem in dicht besiedelten Ballungsräumen, findet sich in jüngster Zeit aber auch in Infrastruktur-schwachen Gegenden eine steigende Anzahl an derartigen privaten Netzen wieder.
Privates, dezentrales Netz
"Angesichts der akut grassierenden Überwachungsideen und der Datenschutzdebatte im Internet ist das Konzept eines privat aufgebauten, dezentralen Breitbandnetzes mit lokalen Servern und Diensten aktueller denn je", erklärt Aaron Kaplan, Obmann des Wiener WLAN-Funknetzes funkfeuer.at http://www.funkfeuer.at. Das Netz ist prinzipiell frei zugänglich und von überall innerhalb des gesamten Netzgebietes nutzbar. Voraussetzung ist allerdings, dass man selber einen WLAN-Knoten errichtet und zur Verfügung stellt. Die notwendige Bandbreite steuert der Verein bei, der seinerseits auf einige Sponsoren wie die Stadt Wien, aber auch ISPs wie Silver Server oder next layer zählen kann.
Technisch gesehen handelt es sich bei den Knoten nicht um WLAN-Hotspots, wie es das Konzept von kommerziellen Anbietern oder etwa auch von Fon http://www.fon.com vorsieht. Vielmehr sorgt die eingesetzte Mesh-Routing-Technologie dafür, dass die eingespeiste Bandbreite über die WLAN-Knoten intelligent verteilt wird. Durch die bei jedem Knoten eingesetzten Funkantennen können sich die Knoten bis zu 30 Kilometer weit problemlos verknüpfen. Um eine optimale Netzabdeckung zu erreichen, muss das Equipment allerdings auf dem Hausdach montiert werden, was gerade in der Stadt ein gewisses Hindernis für potenzielle neue User darstellt.
WLAN-Netz für die Alpen
"Neben unserem Bestreben, ein unabhängiges Bürgernetz zu schaffen, hatte das Netz von Anfang an immer auch einen experimentellen Charakter. Mittels der Technologie ist es theoretisch möglich, ein solarbetriebenes WLAN-Netz von Berggipfel zu Berggipfel aufzuspannen und so auch entlegene Gebiete zu erreichen, die bisher von Breitbandtechnologien abgeschnitten sind", erklärt Kaplan. Schon heute würden ländliche Gegenden, die von den ISPs vernachlässigt werden, von derartigen Projekten profitieren können. Aktuell entsteht etwa im Weinviertel, in Klosterneuburg sowie rund um Bad Ischl ein solches WLAN-Netz.
Ungeachtet der technischen Herausforderungen bestehe die Funkfeuer-Community aber keineswegs aus reinen IT-Profis und Computer-Nerds, so Kaplan. "Natürlich hilft es, wenn man sich technisch ein wenig auskennt. Durch die Community erhält aber jeder die notwendige Unterstützung, der sich am Projekt beteiligen möchte", erklärt Kaplan. "Von topgebildeten IT-Leuten bis zu Bauarbeitern sind schon jetzt fast alle Berufs- und Interessensgruppen bei uns vertreten".
Funknetz-Boom auch in Deutschland und Spanien
In Wien zählt das 2003 offiziell gestartete Projekt mittlerweile rund 500 WLAN-Knoten, womit praktisch die gesamte Stadt bis hin zu weit entfernten Orten wie Hainburg oder das Leitagebirge abgedeckt sind. Europäischer Spitzenreiter ist aktuell Barcelona, das bei seinem Funknetz http://www.guifi.net bereits 9.200 Knoten und eine Flächenabdeckung von über 10.000 Quadratmetern aufweist. Aber auch Athen (5.000 Knoten) sowie mehrere deutsche Städte wie Berlin, Rostock, Weimar und Leipzig arbeiten seit Jahren am privaten Netzaufbau. In Deutschland bildet freifunk.net http://www.freifunk.net die übergeordnete Plattform.